Offene Bildungswerkstätten als Labore für neue Materialien & Konzepte

Bild: Ein Berliner edulabs-Treffen in der ESBZ

Die Projektförderung von edulabs ist ausgelaufen, das Netzwerk bleibt aber noch aktiv und die zahlreichen Inhalte dieser Seite werden erhalten. Mit der Artikelreihe „Abschlussbericht“ dokumentiere wir unsere Erkenntnisse. Der vorliegende Beitrag behandelt die edulabs-Treffen, die in verschiedenen Regionen stattfinden. Alle weiteren Artikel findet ihr hier.

Die neuen Themenfelder eines zeitgemäßen Lehrens und Lernens in digitalen Lebenswelten brauchen konkrete Konzepte und Versuche, die den Rahmen der Möglichkeiten abstecken und theoretische Überlegungen mit praktischen Wahrheiten konfrontieren. Und es braucht Räume, physische Orte, an denen sich Aktive austauschen und an diesen Konzepten arbeiten können. Das Projekt hat daher entsprechende Veranstaltungsformate entwickelt.

In den edulabs, den regionalen Ablegern des Projektes, treffen Aktive aus der Zivilgesellschaft, die Fähigkeiten im Bereich Design, Coding oder in der Arbeit mit Texten haben, auf Lehrende und Pädagog*innen mit Praxiserfahrung. Dadurch entsteht ein fruchtbarer Austausch und die Wahrscheinlichkeit von innovativen Konzeptideen steigt.

Labs oder Labore sind Räume der Zusammenarbeit und Praxis, in denen Prototypen entstehen und getestet werden. Labore sind aber auch Werkstätten, in denen Aktive ihrer Kreativität freien Lauf lassen dürfen, ohne äußeren Zwängen ausgesetzt zu sein. Auch die Diskussion ist ein wichtiges Element, um den eigenen Fortschritt und die Arbeit zu reflektieren. Im Mittelpunkt aber steht das Schaffen von Fakten - von konkreten Unterrichtsmaterialien und -konzepten.

Um diese Orte und Communities zu fördern, haben wir uns bei edulabs an dem Konzept offener Werkstätten orientiert, wie beispielsweise den FabLabs oder Makerspaces. Diese gestalten Offenheit in drei Bereichen:

  • Offenheit des Zugangs und der Bereitstellung von Infrastruktur,
  • einer offenen Gruppe, die von der Ansprache und ihrer Zusammensetzung nicht festgelegt ist, die sich begegnet und inspiriert,
  • und der Offenheit der Ergebnisse sowie ihrer Zugänglichkeit und Nachnutzbarkeit.

Eine offene Struktur dieser Art gibt Freiraum zur Selbstentfaltung und bei der Bewältigung von Herausforderungen. Interdisziplinär und spontan zusammengesetzte Gruppen inspirieren sich in ihrer Arbeit und schaffen überraschende Ergebnisse. Die Aktiven können sich ihren eigenen Fähigkeiten entsprechend beteiligen. Dabei spielen Austausch und Reflexion eine wesentliche Rolle.

Was sind offene Werkstätten?

Im Rahmen der Projektlaufzeit bauten wir in verschiedenen Regionen gemeinsam mit Lab Leads – Freiwillige, die vor Ort die Organisation und Moderation übernehmen – und lokalen Partnern solche offenen “Werkstätten für offene Bildung” auf, die Bildung im Fokus haben. Diese als “edulabs” bezeichneten Orte sind Treffpunkte für alle, die sich an der Entwicklung und Bereitstellung von frei lizenzierten und pädagogisch offenen Bildungskonzepten beteiligen möchten.

Bildungsinnovator*innen sind bereits in vielen Regionen aktiv. Durch edulabs-Treffen und eine laufende Online-Vernetzung entstehen neue Ideen; ihre Lösungsangebote und Materialien werden noch besser sichtbar. In den edulabs können konkrete Vorhaben auch über längere Zeiträume eigeninitiativ vorangebracht werden. Das kann die regelmäßige Vorbereitung auf den Unterricht sein oder umfangreiche Bildungsmaterialien, die mit Designelementen ausgestattet, praktisch erprobt und im Netz publiziert werden. Der offene Arbeitsraum bietet die Möglichkeit zum Austausch und bündelt vorhandenes Engagement in interdisziplinären Teams: Konzepte können diskutiert, Anwendungen gemeinsam getestet und verbessert werden. Offenes Arbeiten und selbstorganisiertes Lernen kann in diesen Bildungswerkstätten ganz real selbst erlebt werden, daraus ergeben sich wichtige Erfahrungen für die eigene Praxis.

Bild: Maximilian Voigt. Lizenz: CC-BY 4.0

Durch Impulse des Projektes edulabs sind bisher drei solcher Communities entstanden, die sich online oder regelmäßig vor Ort treffen. Sie arbeiten an der Dokumentation vorhandener Konzepte, an neuen Ideen sowie an Hardware- und Vernetzungsprojekten. Dabei erhielten die Initiatoren Unterstützung zu Didaktik, Technik, Redaktion und Vernetzung.

Die seit Juni 2017 aktive Berliner Community hält bereits Beispiele bereit, wie eine Zusammenarbeit von Pädagogik, Design, Coding oder Making für offene Bildung aussieht. Ein Beispiel ist das Vorhaben Lumi - eine WLAN Lösung für den Klassenraum: Zwei Berliner Lehrer entwickelten eine Raspberri-Pi basierte Lernplattform, welche den unterrichtsbezogenen Einsatz von Smartphones, Laptops und Tablets ohne Internetverbindung ermöglicht. Die LumiBox öffnet ein lokales WLAN und stellt Open Source-Software und Werkzeuge zum Teilen und Bearbeiten von Inhalten zur Verfügung.

Vom physikalischen Ereignis zum Datensatz
Sensordaten verstehen und selbst gebrauchen - ein Workshop

Zum Material

Als ein weiterer Schwerpunkt zeigt sich die Übertragung geeigneter Makerprojekte in die formale Bildung. Bereits bestehende Ideen werden in den Fächerkanon eingepasst und auf konkrete Unterrichtsszenarien hin weiterentwickelt. So wird in dem Vorhaben Vom physikalischen Ereignis zum Datensatz die Erfassung von Sensordaten verständlich erklärt.

Zudem suchen Initiativen wie Freifunk, Cryptoparty oder Chaos macht Schule das Berliner Lab auf, die sich schon lange für einen mündigen Umgang mit digitalen Technologien einsetzen und bestehende Workshop-Ideen dokumentieren.

Zu den physischen Treffen kommt der digitale Austausch. Die edulabs sind damit nicht nur reale Orte, sondern auch ein Netzwerk, das den Charakter einer virtuellen Werkstatt hat. Über Slack-Gruppen und Twitter werden Erfahrungen ausgetauscht; in Online-Calls arbeiten Aktive aus verschiedenen Regionen gemeinsam an Konzepten, Materialien und Erfahrungsberichten.

Ein exemplarischer Lab-Treffen

Der Ablauf der Lab-Treffen ist nicht von außen vorgegeben, sondern wird von den Lab-Leads entwickelt und auf die lokalen Bedingungen und Bedarfe hin angepasst. Neben der Arbeit an Projekten kann auch der Austausch der Teilnehmenden oder Impulsvorträge im Vordergrund stehen, bei denen es um zeitgemäße Bildung geht. Das folgende Beispiel beschreibt ein Treffen, bei dem vorwiegend an Projekten gearbeitet wird:

  • Ankommen
    • Möglichkeit, sich in den Zeitplan einzutragen
    • Möglichkeit, 1 min-Pitch bei den Lab-Leads anzukündigen
  • Begrüßung und Vorstellung
    • kurzes ‘Hallo’
    • Blick auf den Zeitplan: Was passiert heute im Lab?
    • 1-min-Pitch, z.B. “ich habe xx vor und suche xy”
  • Freies Arbeiten
    • Ggf. mit Raumangeboten / Stationen
      • Newbie-Bereich mit Materialien zur Einführung
      • Projekt-Toolkits/-Flipcharts und/oder Coaches
      • OER-Ambulanz für konkrete Fragen und Hilfestellungen
      • OER-Sammlung für neue Materialien: Was gibt es bereits und passt es in die edulabs-Sammlung?
    • Zwischen-Announcement
      • kurzer Zwischenstand durch Lab-Leads
      • Beteiligungsmöglichkeiten bei Projekten
      • aktuelle Bedarfe im Plenum, z.B.: das ist der Stand, das suche/n ich/wir, hier findet ihr mich / uns …


Learnings

  • Für ein produktives Treffen ist es hilfreich, wenn auch die Einrichtung des Raumes zur Inspiration beiträgt und einen Bezug zu den Themen des Labs aufweist. Abwechslungsreich gestaltete Orte wie Coworking-Spaces, Making-Werkstätten oder Hackspaces bieten eine produktive und anregende Atmosphäre; neue Anregungen lassen sich aber auch durch Gestaltungselemente wie eine Wandzeitung vermitteln. Wichtiger als Werkzeuge und Computer ist der Stil der Treffen: Die Teilnehmenden bringen sich in ihrer Freizeit ein, der Raum sollte dieses Engagement möglichst fördern und anregen.
  • Inspiration entsteht nicht immer durch den Ort selbst. Dem versuchten wir gemeinsam mit den Lab Leads zu begegnen, indem immer wieder interessante Personen und Projekte vorgestellt oder Treffen zu einem bestimmten Thema veranstaltet wurden.
  • Die eigentliche Arbeit oder das Hauptanliegen vieler Besuchenden waren häufig nicht das große Projekt, sondern konkrete Fragen oder Anliegen. Beispielsweise wurden Lösungen für den fehlenden Internetzugang an Schulen, für die datenschutzsichere Verwaltung von Terminen oder die Integration von Webinhalten in bestehende Anwendungen angefragt.
  • Größere Projekte benötigten mehr Unterstützung bei der Organisation und redaktionellen Arbeit. Andernfalls schliefen sie häufig ein oder die Ergebnisse blieben noch unstrukturiert.
  • Die Lab Leads behielten die Treffen besonders gut in Erinnerung, wenn sie selbst in ein Projekt eingebunden waren oder an einem eigenen gearbeitet haben.
  • Neben dem Fokus auf konkrete Projektarbeiten war es auch immer wichtig, Diskussionen und Vernetzungsmöglichkeiten zu fördern. Nicht jede Person findet den gleichen Zugang zur Projektarbeit. Viele müssen sich erst daran herantasten und brauchen mehr Unterstützung.
  • Der persönliche Kontakt und der Spaß am gemeinsamen Miteinander ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Die Besuchenden kommen in ihrer Freizeit und als solche sollte sich die Aktivität im Lab auch anfühlen. Daher sind in den Labs auch (teils selbst mitgebrachte) Getränke und Snacks verfügbar; nicht selten setzten die Teilnehmenden das Treffen auch mit einem gemeinsamen Ausklang fort.
  • Ein Code of Conduct hilft in Konfliktsituationen


Ein eigenes Lab aufbauen

  • Für die Organisation wird ein Team aus mindestens zwei Lab Leads benötigt, damit sich die Aufgaben aufteilen lassen.
  • Besonders hilfreich ist es auch, wenn die Lab Leads selbst bereits eigene Vorhaben mitbringen, an denen sie während der Treffen arbeiten können. So lässt sich die eigene Motivation leichter mit der gemeinnützigen Arbeit verbinden.
  • Wichtig ist ein kostenfreier Raum, der möglichst gut erreichbar ist. Nur so sind die Treffen nachhaltig und nicht abhängig von finanziellen Fragen. Besonders förderlich ist es, wenn der Raum selbst einen inspirierenden Rahmen und eine angenehme Atmosphäre bietet.
  • Förderlich ist auch die lokale Vernetzung mit anderen Initiativen, die im Bildungsbereich aktiv sind. Möglicherweise lassen sich Synergien entwickeln, woraus bereits erste Projekte entstehen.
  • Kostenfreie Getränke sind eine angenehme Geste.
  • Der Internetzugang sollte auch nicht fehlen.


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