Im Überblick: Freie Bildung mit digital gestützten Methoden

Bild: Katrin Greiner. Lizenz: CC-BY 4.0

Die Projektförderung von edulabs ist ausgelaufen, das Netzwerk bleibt aber noch aktiv und die zahlreichen Inhalte dieser Seite werden erhalten. Mit der Artikelreihe „Abschlussbericht“ dokumentiere wir unsere Erkenntnisse. Der vorliegende Beitrag führt in die Ausgangssituation des Projektes ein und klärt grundlegende Bergriffe. Alle weiteren Artikel findet ihr hier.

Digitalisierung schafft eine Lebenswelt, in der persönliche Orientierung und gesellschaftliche Teilhabe neu organisiert und gedacht werden. Digitale Lebenswelten sind selbstverständlicher, zumeist unreflektierter Handlungsraum; dabei nicht ohne Spannungsfelder für das Zusammenleben und den Einzelnen. Um Menschen jeden Alters mit Kompetenzen zu befähigen, die Mündigkeit auch in einer digitalen Welt stärken, bedarf es vielfältiger kreativer Bezugspunkte, die den Lernenden in seiner lebensweltlichen Praxis abholen und von innen heraus motivieren. Dazu gehört es, den Lernprozess in digital gestützte Settings zu verlagern: einerseits um Online-Formate als Informationsquelle und Möglichkeitsraum zu nutzen, andererseits um die Handlungsoptionen im Digitalen in didaktischer Feinarbeit zu erweitern. Diesen Herausforderungen stellte sich unser Projekt edulabs.de, das im März 2017 im Rahmen der OERinfo-Förderlinie des BMBF seine Arbeit aufnahm.

Bild: die edulabs-Community in Berlin. Foto: Maximilian Voigt. Lizenz: CC-BY 4.0

In einer ersten Förderphase von März 2017 bis Dezember 2018 haben wir die edulabs-Community aufgebaut und dabei viel gelernt. Mit dieser Artikelreihe möchten wir Erfahrungen und Anregungen zusammenführen, die für die Weiterentwicklung einer zeitgemäßen Bildungspraxis hilfreich sind. Dazu beschreiben wir zuerst Formate, Tools und Konzepte, die wir im letzten Jahr entwickelt haben. Im edulabs-Blog stellen wir zudem Interviews mit Expert*innen vor, welche die Debatte um eine nachhaltige offene Bildungspraxis prägen. Wer sich zu diesen Themen engagieren möchte, findet am Ende vieler Artikel konkrete Handlungsmöglichkeiten.

Hintergrund

Die Diskussion um die Bildung ist polarisiert: Auf der einen Seite ließe sich mit digital gestützten Methoden vieles verwirklichen, das im Bildungsbereich schon länger angestrebt wird: Partizipation, Inklusion und selbstgesteuertes Lernen. Andererseits wird die Gefahr einer “Lobby-Pädagogik” kritisiert, da wirtschaftliche Interessen wie die Nachwuchsförderung im MINT-Bereich oder die Angebote großer IT-Konzerne einen wachsenden Einfluss auf die Entwicklung von Schulen und Lehrplänen haben. Wie lässt sich offene Bildung in diesem Spannungsfeld aus zivilgesellschaftlicher Perspektive gestalten? Open Educational Resources (OER) und Open Source begegnen dieser Herausforderung mit Transparenz, Engagement und einer Kultur der Ko-Kreation. Gut gestaltete Materialien, die nicht nur technisch und lizenzrechtlich, sondern auch im Hinblick auf verständliche Aufbereitung, Sprache und Modularität breit zugänglich sind, eröffnen didaktische Flexibilität: Die Lehrenden bekommen verbesserte Möglichkeiten, Lernende individuell zu fördern und zu beteiligen. Diese Lernkultur möchte edulabs fördern: Offene Bildung entsteht nicht allein durch frei verfügbare Materialien, sondern vor allem aus einer gelebten Praxis der Partizipation.

Mit der Digitalisierung haben sich besonders in der schulischen Bildung neue Herausforderungen ergeben, aber auch viele bestehende Probleme verschärft. So zeigt sich die strukturelle Unterfinanzierung neben den bekannten ‘Baustellen’ wie zu großen Lerngruppen nun auch an der fehlenden Infrastruktur. Die Qualifizierung von Lehrenden für digitale Kompetenzen wird gerade erst aufgebaut und es gibt unterschiedliche Vorstellungen darüber, was “gute digitale Bildung” eigentlich ausmacht. Durch den Modernisierungsstau an den Schulen vermischt sich diese Debatte häufig mit den kommerziellen Interessen großer Konzerne und vieler kleiner Anbieter, die sich auf einem aussichtsreichen Markt vehement positionieren. Währenddessen entwickelt sich der Gegenstand der Debatte beständig weiter: Mit einer wachsenden Vernetzung und “Datafizierung” der Welt ändern sich nicht nur die die Anforderungen an zeitgemäße Bildungsangebote, sondern auch die Potenziale für neue Ansätze.

Auf diese ungelösten Bedarfe und Fragen reagiert in der Zivilgesellschaft eine wachsende Bewegung von Aktiven, die nicht auf die Umsetzung staatlicher Lösungen warten, um die Bildungspraxis bereits heute zu verbessern: Engagierte Lehrende, Eltern, Schülerinnen und Schüler, aber auch zahlreiche Menschen die sich in Coding, Making oder Design auskennen, tragen mit ihrer Expertise dazu bei, dass zeitgemäße Bildung nicht erst die “Bildung von morgen” ist. Bei Veranstaltungen wie OERcamps, educamps, edusprints oder edulabs-Treffen, sowie über Facebook-Gruppen und Twitter-Hashtags wird der digitale Wandel in der Bildung anregend und lösungsorientiert unter die Lupe genommen.

Hashtags, Begriffe und Themem

In diesem laufenden Austausch stößt man immer wieder auf Begriffe, an denen sich die Fragen, Erfahrungen und Lösungsansätze orientieren. Nach aktuellem Stand (Januar 2019) halten wir vor allem die folgenden Begriffe und Hashtags zum Einstieg für hilfreich:

Was ist zeitgemäße Bildung? „Momentan wird Bestehendes nur digitalisiert. Es wird wenig infrage gestellt.“ - Dejan Mihajlovic im Interview

Der Begriff “zeitgemäße Bildung” (#zeitgemäßeBildung auf Twitter) geht auf den Freiburger Lehrer Dejan Mihailovic zurück und wurde auf Twitter schnell als Gegenbegriff zur “digitalen Bildung” (mit dem Hashtag #digitaleBildung) populär, welche durch ihre Fokussierung auf das Technisch-Digitale als eine didaktische Verkürzung kritisiert wurde. Der Bildungswissenschaftler Axel Krommer weist allerdings in diesem Zusammenhang darauf hin, dass neue pädagogische Konzepte nicht unabhängig von ihren technologischen Voraussetzungen sind. Die technischen Möglichkeiten beeinflussen stets auch den Rahmen der Lernziele. Dass digitales Lehren und Lernen vor allem gute Konzepte erfordert, gilt mittlerweile als Konsens und spiegelt sich auch in der Erklärung des BMBF zum geplanten Digitalpakt Schule: “Es sind immer die pädagogischen Konzepte, die aus der Vielfalt an Angeboten gute Bildung machen.” Praxisnahe Diskussionen zu Fragen zeitgemäßer Bildung finden sich ebenfalls unter dem Hashtag #twitterlehrerzimmer.

Bei dem Thema Open Educational Resources (auf Twitter: #OER / #OERde) geht es um Bildungsmaterialien die zumeist als Netzressourcen bereitgestellt werden und welche eine kostenlosen Nutzung, Weitergabe und auch Veränderung ausdrücklich vorsehen. Diese Materialien werden mit sogenannten freien Lizenzen bereitgestellt, mit denen die Nachnutzung rechtssicher möglich ist. Als frei nachnutzbar gelten insbesondere die Creative Commons-Lizenzen CC0, CC-BY und CC-BY-SA, mit denen nicht nur öffentlich geförderte Einrichtungen die Materialien nutzen, anpassen und weitergeben können. Weiterführende Hinweise finden sich auf den Seiten der OER Infostelle, Links zu OER-Projekten auf der OER World Map.

Die so genannten 4Ks - Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken sind eine Kurzformel, die den erforderlichen Paradigmenwechsels hin zu einem stärker kompetenzorientierten Lehren und Lernen im 21. Jahrhundert verdeutlichen will. Mit Blick auf globale Problemlagen und dem dringenden Ruf nach vielfältigen und nachhaltigen Lösungsstrategien benennen sie die zentralen Fähigkeiten, die moderne Gesellschaften aufweisen müssten, um langfristig bedeutsame Ziele, wie nachhaltiges Wirtschaften, eine gerechte Weltordnung und politische Stabilität, in den Bereich des Möglichen zu rücken.

Selbstorganisiertes Lernen in der Praxis „Seit sechs Jahren arbeitet die Alemannenschule Wutöschingen an einem zeitgemäßen Lehrkonzept. Wir haben mit Valentin Helling über seine Erfahrungen gesprochen.“ - Valentin Helling im Interview

Selbstgesteuertes Lernen bezieht sich auf ein Lernverständnis, das den Lernenden in das Zentrum eines aktiven Prozesses stellt. Es wird dabei davon ausgegangen, dass so effektiver und nachhaltiger gelernt wird. Zudem geht es um die Abgrenzung zu einem von außen gesteuerten und kontrollierten Lernprozesses, bei dem der Lehrende für die Vermittlung von Sachwissen sorgt. Selbstgesteuertes Lernen ist auch in kooperativen Settings möglich (kooperatives Lernen), in denen Lernende ein Problem ko-kreativ gemeinsam lösen oder ein gemeinsames Verständnis einer Fragestellung entwickeln.

Digitale Mündigkeit bezeichnet ein ganzes Bündel an Kompetenzen, die zu einem selbstbestimmten Leben und zur gleichberechtigten Teilhabe in einer Gesellschaft befähigt, die in allen Bereichen von digitalen Technologien und Ordnungsmustern durchzogen ist. In den Blick geraten hier neben dem Schutz der Privatsphäre und informationeller Selbstbestimmung auch die Fähigkeit, Wissen im digitalen Raum für die eigenen Ziele zu nutzen und abzulegen, aber auch an Prozessen gemeinschaftlichen Aushandelns und Entscheidens teilzunehmen.

Um die Entwicklung dieser Theme und Begriffe mitzuverfolgen – oder mitzugestalten – haben wir einige Kontaktpunkte und Netzwerke zusammengestellt, bei denen man sich aktiv beteiligen kann. Neben den Online-Formaten gestaltet sich zeitgemäße Bildung sehr lebendig auch im direkten Austausch vor Ort. Im nächsten Kapitel beschreiben wir genauer, wie sich die edulabs-Formate anpassen und nachnutzen lassen.

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